An einem kühlen Tag steht sie, bekleidet mit einem robusten Arbeitspullover und Gummistiefeln, vor einem riesigen Haufen Getreide. Ihr Ziel ist es, ihr nächstes Video über das Leben auf dem Bauernhof zu drehen, das etwa 70.000 bis 100.000 Aufrufe erreichen soll.
Paulsen ist ein Beispiel dafür, wie Landwirte in Deutschland die sozialen Medien nutzen, um auf ihre Bemühungen und Herausforderungen aufmerksam zu machen. Die dreifache Mutter hat einen Abschluss in Agrarwissenschaften und ist in die Landwirtschaft gewechselt. Ihre authentischen Videos, in denen sie ihren Alltag schildert, haben ihr Anerkennung eingebracht, unter anderem durch Auszeichnungen der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG).
In der Uckermark, nur eine kurze Zugfahrt von Berlin entfernt, bietet sie eine einzigartige Perspektive auf die Agrarindustrie. Über ihre Social-Media-Präsenz bietet sie ihren Followern Einblicke in den Alltag eines landwirtschaftlichen Betriebs mit 300 Milchkühen, der von einem achtköpfigen Team geführt wird.
“Ich kümmere mich um alle Lebewesen auf dem Hof. Mein Mann kümmert sich um die Felder”, erklärt sie.
Ihr Biobetrieb umfasst etwa 450 Hektar, von denen ein großer Teil als Weideland für die Rinder genutzt wird. Darüber hinaus bauen sie Getreide, Futtermais und Luzerne an.
Sie lernte ihren Mann beim Melken der Kühe kennen.
“Ich habe Martin kennengelernt, als er Lehrling auf dem Hof in Schleswig-Holstein war, auf dem ich während meines Studiums gearbeitet habe. Wir kommen praktisch aus dem gleichen Stall.”
Auch Paulsen selbst hat ihre Kindheit auf einem Bauernhof verbracht.
“Mein Leben hat sich immer um Kühe und das Melken gedreht. Hier gehöre ich hin”, sagt sie.
Während sie auf ihren Fotos fröhlich wirkt, fangen ihre Videos ein Spektrum an Emotionen ein, das von Ehrfurcht bis zu entschlossener Entschlossenheit reicht. Ihr Alter Ego, Bauer Helmut, verkörpert die Essenz der altmodischen, traditionellen Landwirtschaft – eine Figur, die von ihrem eigenen Vater inspiriert wurde. Und, fügt sie mit einem Lächeln hinzu, er ist ihr größter Unterstützer.
Nachdem sie vor knapp zwei Jahren in die Uckermark gezogen war, tauchte Paulsen in die “landwirtschaftliche Instagram-Blase” der sozialen Medien ein. Dabei stellte sie fest, dass die Posts der Landwirte in der Regel zu düster für sie waren.
“Um die Menschen, insbesondere die Jugend, anzusprechen, braucht man Witz und Humor”, erklärt sie.
Deshalb begann Paulsen mit der Erstellung von humorvollen Videos, die das Leben auf dem Lande zeigen und den norddeutschen Dialekt einbeziehen.
Sie hat über 40 Videos produziert, die in der Regel mehrere zehntausend Aufrufe haben. Ihr beliebtestes Video, in dem es um die Säuberung von Bauernhöfen geht, wurde bereits über 200.000 Mal aufgerufen.
“In dem Video erwähne ich einfach, dass man die Reifen wieder aufziehen muss, dann ist es noch brauchbar”, sagt sie und zeigt auf eine verwitterte Schubkarre mit Rost und Dellen.
In dem Beitrag wird auch gezeigt, wie sie zögert, andere abgenutzte Werkzeuge und Maschinen zu entsorgen.
Jede Woche nimmt sie sich Zeit für das Brainstorming für das kommende Video, gefolgt von etwa einer Stunde für die Dreharbeiten und den Schnitt der Folge. Paulsen führt ihr schnelles Denken und ihre Cleverness zum Teil darauf zurück, dass sie die Jüngste unter ihren acht Geschwistern ist. Sie versteht es, das Gleichgewicht zwischen Humor und Ironie zu halten und darauf zu achten, nicht ins Absurde abzugleiten.
Ihre Videos erfreuen sich nicht nur in der Landwirtschaft, sondern auch innerhalb der Branche großer Beliebtheit.
“Viele Landwirte stellen fest, dass sie nicht allein sind, wenn es um die Herausforderungen des täglichen Lebens in der Landwirtschaft geht. Wenn sie sehen, dass sich ihre Erfahrungen in meinen Inhalten widerspiegeln, fühlen sie sich in ihren eigenen Kämpfen bestätigt, und diese emotionale Verbindung ist ermutigend”, erklärt Paulsen.
“Annemaries Beitrag zur Sensibilisierung für die Landwirtschaft ist von unschätzbarem Wert, gerade in einer Zeit, in der vor allem Milchbauern ungerechtfertigter Kritik von zweifelhaften Tierschützern ausgesetzt sind”, sagt Reinhard Jung, Geschäftsführer des Landesverbandes Freie Bauern Brandenburg.
Dem Verband gehört der Biohof Paulsen als Mitglied an und spielt damit auf die zunehmende Kritik an der industrialisierten Landwirtschaft im Land an.
Er betont, dass diese positive Form der Kommunikation entscheidend ist, um einen bundesweiten Dialog zu initiieren und zu zeigen, dass “Landwirtschaft nichts Negatives ist”.
“Annemaries Authentizität findet bei einem breiten Publikum Anklang”, fügt Jung hinzu.
Ihre vielfältige Anhängerschaft unterstreicht ihre weitreichende Popularität, die von Landwirten und Künstlern bis hin zu Gesetzgebern und Stadtbewohnern reicht.