Herausforderungen bedrohen die deutsche Biokraftstoffindustrie und Futtermittelproduktion

Deutschland erwägt den schrittweisen Ausstieg aus der pflanzlichen Bioethanolproduktion innerhalb des nächsten Jahrzehnts und beruft sich dabei auf sein Engagement zur Stärkung der Ernährungssicherheit in Europa und weltweit. Branchenexperten warnen jedoch davor, dass die erwartete Reform unbeabsichtigte Folgen haben könnte, die stattdessen zu potenziellen Herausforderungen für die Ernährungssicherheit führen könnten.

Die deutsche Umweltministerin Steffi Lemke hat kürzlich einen Gesetzentwurf vorgelegt, der einen schrittweisen Ausstieg aus der Produktion von Biokraftstoffen auf Pflanzenbasis bis 2030 vorsieht. Der Vorschlag zielt darauf ab, Umweltbelange zu berücksichtigen und die Nachhaltigkeit im Energiesektor zu fördern.

In einer Erklärung, die im Januar 2023 auf der Website des Umweltministeriums veröffentlicht wurde, wies die deutsche Umweltministerin Steffi Lemke auf die negativen Auswirkungen von Biokraftstoffen auf den Flächenverbrauch und den Verlust der biologischen Vielfalt hin. Lemke betonte, dass für den Ersatz von nur 4 % des Verbrauchs fossiler Kraftstoffe im deutschen Straßenverkehr eine erhebliche Menge an Landfläche, die etwa 20 % der landwirtschaftlichen Fläche des Landes entspricht, sowohl in Deutschland als auch im Ausland benötigt wird. Lemke argumentierte, dass dieser Ansatz weder zukunftsweisend noch langfristig nachhaltig sei.

Besser “echtes Bioethanol” produzieren

Lemke betonte, wie wichtig es sei, die Produktion von “echtem Bioethanol” aus Abfällen, Müll und Altspeiseöl zu fördern, anstatt auf Agrarrohstoffe zu setzen. Zur Untermauerung dieser Sichtweise hat der Verband der deutschen Bioethanolwirtschaft eine Berechnung durchgeführt, die zeigt, dass nur ein kleiner Teil, nämlich 4 % der Getreideernte in Deutschland, für die Bioethanolproduktion genutzt wird.

Der Geschäftsführer des Verbandes, Stefan Walter, wies zudem darauf hin, dass lediglich 2 % der Ackerfläche für die Bioethanolproduktion benötigt werden.

Leidtragende ist die Futtermittelindustrie

Fabian Preuss, Kommunikationsleiter der Deutschen Gesellschaft für Tiernahrung, wollte sich nicht zu den möglichen Auswirkungen der geplanten Beschränkungen auf die deutsche Futtermittelindustrie äußern. Sollte die Maßnahme umgesetzt werden, würden die Auswirkungen über Deutschland hinausgehen und den gesamten europäischen Futtermittelmarkt betreffen, so Preuss. Daher schlug er vor, dass sich die europäischen Verbände der Futtermittelindustrie mit der Angelegenheit befassen sollten, um die weiterreichenden Auswirkungen zu berücksichtigen.

FEDIOL stimmte im Allgemeinen mit den Einschätzungen der deutschen Biodieselverbände überein und wies darauf hin, dass das Verbot zur Einstellung der Futtermittelproduktion in einer Größenordnung von 3 Millionen Tonnen jährlich führen könnte. Geert Vanmarcke, International Market Adviser bei FEDIOL, bemerkte:

“Im Jahr 2022 verbrauchte Deutschland 2,516 Millionen Tonnen Biodiesel. Wenn der gesamte Biodiesel aus Rapsöl gewonnen würde, entspräche dies fast 3,5 Millionen Tonnen Rapsschrot, die nicht mehr produziert würden, wenn es keine weitere Nachfrage nach Biodiesel auf Rapsölbasis gäbe.”

Während das deutsche Umweltministerium behauptet, dass das Verbot von Biokraftstoffen auf Pflanzenbasis den Landwirten Anreize für den Anbau alternativer essbarer Produkte bieten würde, haben Marktteilnehmer Bedenken hinsichtlich der Durchführbarkeit eines solchen Übergangs geäußert. Sie argumentieren, dass die Dynamik der Industrie nicht unbedingt die Vorstellung unterstützt, dass der Lebens- und Futtermittelsektor automatisch von der Entscheidung profitieren würde.

Vanmarcke wies darauf hin, dass das deutsche Umweltministerium die Tatsache übersehe, dass beim Anbau von Raps für die Biodieselproduktion auch eine beträchtliche Menge an Rapsschrot anfällt, das als wertvolle Proteinquelle für Tierfutter dient. Durch die Vernachlässigung dieses Aspekts werden die möglichen Auswirkungen auf die Futtermittelindustrie und die Verfügbarkeit von eiweißreichen Futtermittelalternativen möglicherweise nicht ausreichend berücksichtigt.

Vanmarcke betonte ferner, dass ein Verzicht auf die Produktion von Raps aufgrund von Bedenken hinsichtlich seiner Verwendung in Biodiesel ein erhebliches Risiko für die Verfügbarkeit von Eiweißpflanzen darstellen würde. Er äußerte sich skeptisch über etwaige Umweltbedenken im Zusammenhang mit der Rapsproduktion und betonte, wie wichtig es sei, sowohl in der Europäischen Union als auch in Deutschland eine ausgewogene Eiweißversorgung aufrechtzuerhalten, um den Bedarf der verschiedenen Industrien zu decken und die Ernährungssicherheit zu gewährleisten.

Ein akzeptabler Kompromiss

deutsche Biokraftstoffindustrie und Futtermittelproduktion

FEFAC-Präsident Asbjørn Børsting hob die bedeutende Rolle des Biokraftstoffsektors hervor, der wichtige eiweißhaltige Nebenprodukte für verschiedene Industriezweige liefert. Er erwähnte insbesondere Rapsschrot, Sonnenblumenschrot und DDGS (Dried Distillers Grains with Solubles) als wertvolle Proteinquellen aus dem Biokraftstoffproduktionsprozess. Børstings Bemerkung unterstreicht die Verflechtung verschiedener Sektoren und macht deutlich, wie wichtig es ist, bei Entscheidungen, die sich auf die Verfügbarkeit solcher eiweißreichen Nebenprodukte auswirken könnten, die breiteren Auswirkungen zu berücksichtigen.

Børsting hob die entscheidende Rolle von Ressourcen aus der pflanzlichen Biokraftstoffproduktion hervor, wie z. B. Raps- und Sonnenblumenmehl, um die Abhängigkeit der Europäischen Union von importiertem Sojaschrot für Tierfutter zu verringern. Er wies auch darauf hin, dass die Produktion von Bioethanol, die auf bestimmte Getreidearten wie Mais angewiesen ist, insbesondere in Regionen wie Südosteuropa zu einem Wettbewerb um Futtergetreide führen kann, was den Druck auf die Futtermittelindustrie in Zeiten schlechter Ernteerträge, wie z. B. bei der Dürre im Jahr 2022, verschärft.

Laut Børsting ist FEFAC der Ansicht, dass der derzeitige EU-Schwellenwert von 7 % für pflanzliche Biokraftstoffe in den Zielen für die Erzeugung erneuerbarer Energien ein vernünftiges Gleichgewicht darstellt, das sowohl der Futtermittelindustrie den Zugang zu proteinreichen Futtermittelzutaten als auch zu Futtermittelgetreide ermöglicht. Er empfahl außerdem, dass die EU einen Schutzmechanismus auf der Grundlage der EU-Lebensmittelabfallhierarchie einführt. Dies würde die Futtermittelsicherheit und das ordnungsgemäße Funktionieren des Binnenmarktes im Falle von Ernteengpässen gewährleisten und so den Bedenken Rechnung tragen und einen ausgewogenen Ansatz wahren.

Bessere Nutzung von Strömen aus Lebensmittelabfällen

Børsting wies darauf hin, dass die EU-Steuersubventionen zur Förderung der Verwendung von Biomasse für die anaerobe Vergärung Möglichkeiten zur Umwandlung von Abfallströmen in erneuerbare Energie bieten. Die FEFAC-Mitglieder äußerten jedoch große Bedenken hinsichtlich der möglichen Umleitung von Nebenprodukten, die traditionell für Tierfutter verwendet werden, wie Weizenkleie, Zuckerrübenschnitzel und ehemalige Lebensmittel, in die anaerobe Vergärung. Diese Umleitung könnte sich negativ auf die Selbstversorgung der EU mit Futtermitteln und die Fähigkeit des Futtermittelsektors auswirken, die mit der Futtermittelproduktion verbundenen Treibhausgasemissionen zu verringern, die in hohem Maße von der Erhöhung des Anteils von Nebenprodukten in der Futtermittelformulierung abhängt. Aus diesem Grund lehnt FEFAC die Einstufung solcher Nebenprodukte als fortschrittliche Biokraftstoffe weiterhin ab.

Laut Børsting entstehen bei der Biogaserzeugung in der Regel keine Nebenprodukte, die in der Futtermittelproduktion verwendet werden, was zu einem Verlust von nicht für den Menschen essbaren Nährstoffquellen aus den Futter- und Lebensmittelproduktionssystemen führt. Dennoch erkennt der FEFAC das Potenzial einer Steigerung der Biomasseproduktion und der Nutzung von Lebensmittelabfällen für die Biomasseproduktion an, solange Nebenprodukte, die traditionell für die Tierfütterung bestimmt sind, ausgeschlossen werden. Dieser Ansatz kann dazu beitragen, den wachsenden Bedarf an tierischem Eiweiß und erneuerbarer Energie zu decken.

Børsting betonte die potenziellen Vorteile von Maßnahmen zur Förderung nachhaltiger und integrierter Bioökonomie-Initiativen, wie z.B. der Bio-Raffination von Gras. FEFAC befürwortet nachdrücklich die Erstellung eines umfassenden EU-Biomasse-Faktenblatts in Zusammenarbeit mit der EU-Landwirtschaft, der Lebensmittelverarbeitung und dem Bioenergiesektor. Diese gemeinsame Anstrengung zielt darauf ab, wertvolle Informationen und Erkenntnisse zu liefern, um die Entwicklung und Umsetzung effektiver biomassebezogener Strategien und Praktiken zu unterstützen.

Der rechtliche Kampf ist noch lange nicht vorbei

Das Konzept zur Verringerung der Verwendung von Biokraftstoffen auf Pflanzenbasis wird im deutschen Umweltministerium schon seit mehreren Jahren erwogen. Laut Frank Brühning, Sprecher der deutschen Biokraftstoffindustrie, hat das Konzept jedoch mit dem Ausbruch des militärischen Konflikts in der Ukraine erheblich an Bedeutung gewonnen. Da die Ukraine Probleme mit dem Export von Nahrungsmitteln habe, sei es notwendig gewesen, die Produktion von Biokraftstoffen aus essbaren Rohstoffen zu begrenzen, um die Marktstabilität zu gewährleisten, so Brühning weiter.

“Diese Annahme hat sich jedoch als falsch erwiesen. Einerseits werden immer noch erhebliche Mengen an Öl, Getreide und Ölsaaten aus der Ukraine exportiert. Andererseits gibt es auf dem Weltmarkt ein reichliches Angebot an Rohstoffen, das Problem liegt also woanders”, stellte Brühning klar.

Die Debatte über die Zukunft der Biokraftstoffe in Europa ist eng mit ihrer Fähigkeit zur Verringerung der CO2-Emissionen verknüpft. Daraus ist das Konzept der indirekten Landnutzungsänderung (ILUC) entstanden, das besagt, dass die Nutzung von Flächen für die Produktion von Biokraftstoff-Rohstoffen zur Verdrängung der Nahrungsmittelproduktion und zur Ausweitung der landwirtschaftlichen Flächen in kohlenstoffreichen Wäldern und Torfgebieten führen könnte.

deutsche Biokraftstoffindustrie und Futtermittelproduktion

Das Konzept der iLUC-Theorie besagt, dass die Emissionen, die sich aus den mit der Biokraftstoffproduktion verbundenen Landnutzungsänderungen ergeben, die durch den Ersatz fossiler Kraftstoffe erzielten Treibhausgaseinsparungen ausgleichen können. Brühning wies jedoch darauf hin, dass das Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC), die weltweit führende wissenschaftliche Organisation, wenig Vertrauen in die Zuordnung von iLUC-Emissionen zur Bioenergie hat und zahlreiche Mängel in der Theorie anführt.

Die Argumente der deutschen Grünen, die derzeit das Umweltministerium stellen, sind jedoch nicht überzeugend genug. Der Vorschlag ist weiterhin Gegenstand intensiver Debatten unter deutschen Regierungsvertretern und Gesetzgebern. Der Bundestagsabgeordnete Steffen Bilger warf den Grünen vor kurzem vor, eine Politik zu verfolgen, die sich auf vereinfachte Gegner, vereinfachte Darstellungen und zu einfache Argumente stützt. Es ist erwähnenswert, dass Biokraftstoffe, die aus Nahrungsmitteln gewonnen werden, in Deutschland bereits strengeren Vorschriften unterliegen als von der EU vorgeschrieben. Bilger erklärte, dass die Verwendung von Abfällen und Reststoffen, die nicht für den menschlichen Verzehr bestimmt sind, besonders gefördert wird.

Was werden die Landwirte tun?

Brühning warf eine wichtige Frage auf:

“Wenn pflanzliche Biokraftstoffe wie Bioethanol und Biodiesel nicht mehr produziert werden, stellt sich die Frage, welche Alternativen die Landwirte haben werden.”

Brühning betonte die fehlende Nachfrage nach Rapsöl für den menschlichen Verzehr:

“Da der Mensch keine so großen Mengen an Rapsöl benötigt, gibt es keine ausreichende Nachfrage. Außerdem wäre es nicht sinnvoll, Raps ausschließlich für den Futtermittelmarkt zu produzieren, da der höhere Wert im Öl liegt. Die Abschaffung der pflanzenbasierten Biokraftstoffe würde die Marktbedingungen erheblich verändern und die Landwirte vor die Frage stellen, wie es mit ihren Betrieben weitergehen soll”.

Laut Brühning plädieren die deutschen Grünen dafür, dass die Landwirte die Nahrungsmittelproduktion aufgeben und sich stattdessen auf die Bindung von CO2 konzentrieren, indem sie ihre Flächen sanieren lassen. Er äußerte jedoch Zweifel an der Finanzierbarkeit dieses Vorhabens und der langfristigen Stabilität des abgeschiedenen Kohlenstoffs.

Die Marktteilnehmer äußern sich besorgt über ein mögliches negatives Szenario, bei dem die europäische Futtermittelindustrie in den kommenden Jahren einen Verlust von 3 Millionen Tonnen Futtermittel aus der Rapsverarbeitung erleiden könnte. Zwar gibt es keine Gewissheit, dass dies eintreten wird, selbst wenn die deutschen Beschränkungen für Biokraftstoffe auf Pflanzenbasis umgesetzt werden, aber es gibt verschiedene andere Faktoren, die zu dieser Wahrscheinlichkeit beitragen.

Brühning wies auf das bestehende Defizit an Eiweißfuttermitteln hin, insbesondere in Deutschland, wo nach jüngsten OVID-Daten 70 % der Eiweißfuttermittel importiert werden. Wenn die pflanzlichen Biokraftstoffe auslaufen, würde sich diese Lücke weiter vergrößern, argumentierte Brühning. Außerdem strebt die deutsche Regierung an, die Selbstversorgung mit Futterproteinen in Zukunft zu verbessern. Daher warnte Brühning, dass die Abschaffung pflanzlicher Biokraftstoffe ein klarer Schritt in die falsche Richtung wäre und den Zielen des Landes zuwiderliefe.

Grüne Agenda

Die Besorgnis geht über Deutschland hinaus, da die grünen Parteien in ganz Europa ähnliche Ansichten über die pflanzenbasierte Biokraftstoffproduktion vertreten. Diese übereinstimmenden Ansichten könnten die Biokraftstoffproduktion in anderen Regionen des Kontinents auf lange Sicht gefährden. Neben Deutschland sind grüne Parteien in den Regierungen von Österreich, Belgien, Finnland, der Republik Irland, Luxemburg, Montenegro und Schottland vertreten.

Laut Brühning werden sich die Umweltschützer kaum von den Herausforderungen überzeugen lassen, die sich für die Futtermittelindustrie aus dem Verbot von Biokraftstoffen auf Pflanzenbasis ergeben könnten. Wenn Bedenken über einen möglichen Rückgang der Produktion von Eiweißfuttermitteln geäußert werden, konzentrieren sie sich oft auf die Verringerung des Fleischkonsums, anstatt Lösungen innerhalb der Futtermittelindustrie zu finden. Diese unterschiedliche Sichtweise deutet darauf hin, dass zwischen den beiden Parteien eine Diskrepanz besteht, da sie anscheinend in getrennten Denkbereichen arbeiten.

In den letzten zehn Jahren verzeichnete der europäische Bioethanolsektor ein stetiges Wachstum, und dieser Trend wird sich voraussichtlich fortsetzen, da die EU bestrebt ist, den Anteil der erneuerbaren Energien im Verkehrssektor bis 2030 auf mindestens 14 % zu erhöhen. Es bleibt abzuwarten, wie sich der Vorschlag des deutschen Umweltministeriums auf diese Entwicklung auswirken wird, und es bleibt ungewiss, ob er die Expansion des Sektors behindern kann.